Darf man herzhaft lachen, auch wenn die Lage ernst ist? Ja, denn genau in diesen Situation kann Humor dem Journalismus helfen, Formate auch für Laien interessant zu machen. Ein Plädoyer für mehr Humor – im Alltag und Beruf.
Weltuntergang funktioniert selten. Forschung belegt, dass Journalismus zum Thema Klima Menschen eher beeinflusst, wenn er nicht nur die vielfältigen Themen dazu beleuchtet, sondern auch ein paar Lösungen parat hält . Ohnehin wünschen sich insbesondere diejenigen, die sich von Nachrichten eher fernhalten, mehr Angebote, die Hoffnung machen und erklären, als solche, die wieder und wieder das gleiche Drama beschwören. Dies belegt auch der Digital News Report 2023 des Reuters Institutes in Oxford. Aber wie ist das mit Humor? Darf man herzhaft lachen, auch wenn die Lage ernst ist?
Man könnte sich die Erlaubnis posthum bei großen Humoristen holen. In der 1942 erschienenen Komödie „Sein oder Nichtsein“ ließ der Regisseur Ernst Lubitsch seine Darsteller sogar über Konzentrationslager witzeln, während draußen der Weltkrieg tobte. Aber es geht nicht nur darum, dass man scherzen darf – unter Beachtung von ein paar Regeln natürlich. Es spricht vieles dafür, dass Humor Menschen besonders effektiv zum Handeln anregt. Witze bringen unangenehme Wahrheiten auf leichte Art ans Licht, sie halten Menschen einen Spiegel vor, ohne sie anzuklagen und laden gerade deshalb zum Nachdenken ein.
Über sich selbst lachen, statt Schuldgefühle hegen
Das funktioniert auch beim Thema Klima. Matt Winning ist ein schottischer Umwelt-Ökonom. Nach Feierabend betritt er Londoner Bühnen häufig als Stand-up Comedian; seit ein paar Jahren verbindet er Hobby und Beruf. „Wir müssen Inhalte für Menschen machen, für die wir keine Inhalte machen“, sagte er in einem Interview für den Report „Climate Journalism That Works: Between Knowledge and Impact“.
Seine Shows seien weniger für Umwelt-Fachleute, -Aktivisten und -Politiker gedacht als vielmehr für jene Menschen, die sich mit Klimaschutz bislang eher am Rande beschäftigt haben. Es berühre ihn, wenn solche Gäste am Ende der Show noch ein wenig blieben, um ihm dann zu sagen, sie hätten jetzt ihr Auto abgeschafft, auf den Flug in die Sommerferien verzichtet oder sich über Wärmepumpen informiert. In seinem Buch „Hot Mess: What on earth can we do about climate change?” versucht Winning, Menschen das Thema auf spielerische Weise nahezubringen.
Ähnliches probieren Maxwell Boykoff und seine Kollegin Beth Osnes an der University of Colorado in Boulder aus. Sie hatten das Projekt „ Inside the Greenhouse“ als Kooperation der Fakultäten Theater und Umweltpolitik initiiert. Erste Erkenntnisse daraus veröffentlichten sie 2019 in einem wissenschaftlichen Artikel: Ein komödiantischer Angang ans Thema Klima helfe Studierenden dabei, ihre eigenen Gefühle, insbesondere Ängste zu konfrontieren, damit kreativ umzugehen und bessere Klima-Kommunikatoren zu werden.
Warum Humor auch die Arbeitswelt entlasten kann
Die Professorinnen Jennifer Aaker und Naomi Bagdonas unterrichten das Fach Humor im Management an der Stanford Business School. In ihrem Buch „Humour, Seriously – Why Humour is a Secret Weapon in Work and in Life” beschreiben sie, welche Rolle Fröhlichkeit beim Erreichen von (geschäftlichen) Zielen spielen kann. Humor stifte Gemeinschaft, stärke die Fähigkeiten, Probleme zu lösen und die Resilienz. Führungskräfte, die über sich selbst lachen könnten, wirkten nahbar und authentisch.
Im Journalismus schätzen vor allem junge Leute humoristische Formate. Ihnen ist es wichtig, dass Inhalte nützlich sind, sie haben es aber gerne auch spaßig. Eine 2021 veröffentlichte Studie der Annenberg School for Communication an der University of Pennsylvania ergab, dass sich die jungen Konsumenten Nachrichten besser merken konnten, wenn sie humoristisch präsentiert wurden. Beim Lachen würden mehr Gehirnregionen aktiviert. Der Aufstieg von TikTok als Kanal für die Nachrichten-Vermittlung – auch dokumentiert im jüngsten Digital News Report – zeigt, wie schnell sich eine auf leichtere Kost spezialisierte Plattform durchsetzen kann.
Natürlich wird Humor immer nur eine ergänzende Kommunikationsform sein. Dies ist schon allein deshalb der Fall, weil nur wenige das Fach beherrschen. Eine Grundregel ist zum Beispiel: Humor funktioniert, wenn man nach oben oder unter Gleichgestellten austeilt. Wer sich über Schwächere lustig macht, langt höchstwahrscheinlich daneben – weshalb das Witzeln für Chefinnen und Chefs eine Gratwanderung ist. Worüber jemand lacht und welche Witze er oder sie macht, verrät in jedem Fall viel über den Charakter. Wie Aaker und Bagdonas schreiben: „Humor ist eine Art von Intelligenz, die man nicht vortäuschen kann.“