Selten (so) gelacht – Journalismus muss Humor ernst nehmen, wenn er die junge Generation erreichen möchte

Journalismus ist eine ernste Sache. Gerade erst wurde ein griechischer Investigativ-Reporter vor seinem Haus in einem Vorort von Athen erschossen. In Deutschland werden Journalist*innen immer häufiger physisch angegriffen, die Organisation Reporter ohne Grenzen stufte deshalb in ihrem neuen Lagebericht den Zustand der Pressefreiheit von „gut“ auf „zufriedenstellend“ zurück. Speziell in Mittel- und Osteuropa treiben Politik und Oligarchen unabhängige Medien in die Enge, ohne dass die EU ernsthaft einschreiten würde. „Europe’s fourth estate needs more active support“, forderte das Editorial Board der Financial Times in dieser Woche. Und dann kommt Jan Böhmermann, und landet mit einem Satire-Magazin „Freizeit Magazin Royale“ einen Kiosk-, TV- und Social-Media-Hit. Was regt junge Leute von diesen Dingen am meisten auf? Vermutung: dass Böhmermanns Magazin nach kurzer Zeit vergriffen war.

Wer dem jugendlichen Publikum deshalb den Sinn fürs Ernsthafte abspricht, macht es sich aber zu leicht. Humor ist eine ernste Sache, um das zu verstehen, müssen nicht erst Karikaturist*innen angegriffen werden. Und der Trend, dass junge Menschen sich den Nachrichten verstärkt über Comedy nähern, ist nicht neu. Eine Studie in der Fachzeitschrift „Journalism“ beleuchtete dies für die USA schon 2007, ein Jahrzehnt nach dem Launch von „The Daily Show“ auf Comedy Central. Seitdem wurden vielerorts entsprechende Formate entwickelt, ohne dass dies den Journalismus als solches vergnüglicher gemacht hätte. Aber moderne Redaktionen ahnen: Wer die nächste Generation für das Nachrichtengeschehen begeistern will, muss die leichte Form ernst nehmen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Satire gehört zu den journalistischen Gattungen, die am häufigsten misslingen. Was ist Satire, was nur schlechter Geschmack und was sogar menschenverachtend? Darüber stritt man sich in Deutschland trefflich vor knapp einem Jahr, als eine gar nicht mal so lustige Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah in der taz die Polizei mit Müll gleichsetzte und deshalb viele Menschen beschäftigte – bis hin zum Bundesinnenminister und dem Deutschen Presserat. Mehr noch als andere journalistische Formen, die sich mit Handwerk, Hartnäckigkeit und viel Übung akzeptabel meistern lassen, gehört zur Satire oder Glosse ein gewisses Talent – also, Humor. Und der ist auch noch kulturell kodiert.

Nicht jede*r kann und sollte über alles lachen. Humor übt Macht aus, und funktioniert deshalb eher von unten nach oben. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man damit gegen etablierte Machtstrukturen rebelliert oder sie – witzelt man von oben herab – zementiert. Eine Sendung, in der sich privilegierte Moderator*innen über politische Korrektheit amüsieren, kann aus diesem Grund schon mal danebengehen. Gleiches galt für die missglückte Kampagne #allesdichtmachen, in der namhafte Schauspieler vermeintlich ironisch für Meinungsfreiheit in der Corona-Krise streiten wollten, Teile der Öffentlichkeit dies aber im besseren Fall als weinerliche Klage aus der Designer-Küche wahrnahmen.  

Die amerikanische Kommunikationswissenschaftlerin Danna Young beschreibt in ihrem 2019 erschienenen Buch „Irony and Outrage“ zudem, dass zur Satire eine gewisse liberale Grundhaltung gehört, die gedankliche Freiheit schätzt und sich den ernsten Dingen des Lebens spielerisch nähert. Das Pendant dazu im rechten politischen Spektrum sei der Aufstieg der Wut-Talkshows.

Zwischen diesen Polen bewegen sich die traditionellen Medien. Deren Journalist*innen arbeiten zumeist im Fakten-Geschäft und selten im Fach Humor. Fakten sind per Definition eindeutig und klar. Humor ist mehrdeutig und lebt durch Interpretation. Beim Mischen wird’s gefährlich. Gerade in den sozialen Netzwerken lässt sich Humor oft schwer identifizieren. Vielen Reporter*innen und Kommentator*innen ist außerdem selten zum Lachen zumute (siehe oben), Zynismus mal ausgenommen.

Aber es hilft nichts, die Richtung ist klar: Humor funktioniert beim jungen Publikum. Regel Nummer eins dabei: Er darf seine Adressat*innen nicht unterschätzen. Das (print) Magazin Katapult ist deshalb so ein Knaller bei der Generation Abi plus, weil es Faktentiefe und Leichtigkeit lässig mischt. Untertitel: „Magazin für Eis, Kartografik und Sozialwissenschaft“, muss man mehr erklären? Junge Nutzer*innen bevorzugen Journalismus, der erklärt, ihnen im täglichen Leben nutzt und Spaß macht, hatte eine vom Reuters Institut in Oxford veröffentlichte Studie ergeben.

Beim Konsum der meisten etablierten Medien ist der Spaßfaktor noch immer begrenzt. Früher galt es als Nachweis von Bildungsbürgerlichkeit, wenn man sich bei der Zeitungslektüre ordentlich quälen musste. Heute löst Status-Gehabe nur noch Langeweile aus. Die leichter verdauliche Alternative wartet schließlich schon – auf Youtube oder Tik Tok. Nun geht es nicht darum, Nachrichten und Analyse durch Satire zu ersetzen – wer es beim Humor nicht auf Premium-Qualität bringt, sollte ihn sich verkneifen. Woran aber jeder arbeiten kann, ist der Ton. Viele Podcasts funktionieren deshalb so gut, weil sie leicht und plaudernd daher kommen – die Fakten darin sind häufig ernst genug.

Zeitungslektüre kann da noch aufholen. So manch einer Formulierung im deutschen Feuilleton merkt man an, wie sich die Redakteur*innen oder Essayist*innen selbst daran begeistert haben. Aufs Publikum wirken sie nur peinlich. Gerade junge Leute haben gute Antennen dafür, wenn auf Kosten Schwächerer gelacht wird. Sie empfinden das nicht als witzig, sondern als übergriffig und diskriminierend. Belehren ist out, ernst nehmen ist in. Im Zweifel darf man ruhig mal über sich selber spotten. Um das hinzukriegen, muss man nicht mal Comedian sein.

Diese Kolumne erschien am 23. April 2021 im Newsletter des Digital Journalism Fellowship an der Hamburg Media School.