Job Titel: Managing Roboter

Automatisierung in der Redaktion, für manch einen mag das nach Arbeitsplatzabbau klingen. Tatsächlich kann sie Medienhäusern beim Überleben helfen und den Journalismus verbessern. Es kommt ganz darauf an, was man damit macht.   

Wenn Unternehmen jetzt für Produkte werben, die Corona im Titel tragen, stellt sich zuweilen Misstrauen ein. Schließlich gilt: Keine Krise ohne Krisengewinnler, und nicht jeder hat das Gewinnen verdient. Brauchen Redaktionen also „Corona Watch“? Der Bot wertet automatisch wichtige Quellen zur Krisenlage aus und alarmiert Redakteure und Reporter über einen Slack Channel. Die Redaktion legt vorher Quellen und Kriterien fest.

Die Redaktion der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet findet: ja. Chef vom Dienst Michael Poromaa sagt, das Tool entlaste sein Team nicht nur, es verschaffe ihm auch einen Wettbewerbsvorteil. Man hätte sonst 21 Seiten der lokalen Gesundheitsbehörden ständig selbst aktualisieren müssen, so Poromaa. „Vorher waren wir oft maximal die zweiten, die über neue Fälle berichtet hatten, jetzt sind wir die ersten.“

Entwickelt hat „Corona Watch“ die schwedische Firma United Robots, die diverse automatisierte Lösungen für Redaktionen anbietet. Aftonbladet sei mit der Idee gekommen, innerhalb eines Tages habe man sie umgesetzt, sagt Cecilia Campbell. Campbell berät United Robots, zuvor hat die Journalistin Redaktionen für die World Association of News Publishers (Wan-Ifra) beim Aufbau von Bezahlangeboten unterstützt. In Skandinavien hat man wenig Berührungsängste, was den Roboter-Journalismus angeht, im Gegenteil. „Wer es sich noch leisten kann Journalisten einzustellen, setzt sie lieber auf größere Recherchen an“, sagt Campbell. Viele einfache Aufgaben hingegen könne man gut an Roboter auslagern.

Viele Verlage glauben, dass Automatisierung der Branche beim Überleben helfen kann. Stefan Aberg zum Beispiel leitet ein Team von gerade einmal zwei Dutzend JournalistInnen beim schwedischen Medienhaus VK Media. Es sei unmöglich, damit alle Kundenbedürfnisse zu erfüllen, sagte er 2019 auf einer Konferenz. Die Lösung: „Wir bauen eine Armee von Robotern.“ Man habe Bots für alles Mögliche: Wetter, Verkehr, Grundstücksverkäufe, Sportwettkämpfe. Seitdem die Redaktion sie großflächig verwende, sei die Zahl der Digital-Abonnenten um 70 Prozent gestiegen.

Schon heute setzen Redaktionen überall auf der Welt künstliche Intelligenz ein. Die größte Rolle spielt sie bislang im Marketing. Bots machen Leserinnen und Lesern automatisiert Abo-Angebote oder beliefern sie mit personalisierten Inhalten. Manch einer sagt, sie hören dem Publikum besser zu als Journalisten, weil sie Daten entsprechend schnell auswerten können. Einige Redaktionen trauen künstlicher Intelligenz zu, ihre Homepages besser und vorurteilsfreier zu bestücken, als sie das selbst schaffen würden. Die kanadische Globe and Mail zum Beispiel lässt von Software sicherstellen, dass täglich auch Inhalte „vorne“ spielen, die für Minderheiten interessant sind. Auch bei Projekten des Datenjournalismus und bei der Überprüfung von Fakten kommt Automatisierung häufig zum Einsatz. Manch eine Redaktion lässt von Bots feststellen, ob das Geschlechterverhältnis der zitierten Quellen ausgewogen ist.

Deutlich weniger Medienhäuser delegieren das Texte-Schreiben an Roboter. Diese Möglichkeit setzen vor allem Nachrichtenagenturen ein, denn sie müssen eine Grundversorgung bieten und deshalb viele Routine-Arbeiten erledigen. Die amerikanische AP gehörte zu den ersten Anwendern, die Quartalsberichte von Unternehmen automatisch erstellen ließ. Wo Reporter früher ein paar Hundert Firmen abdeckten, kommen Roboter heute auf ein paar Tausend im Vierteljahr. Die Washington Post hat ihre Wahlberichterstattung mit Hilfe von KI-Tools massiv ausgebaut.

Droht den Redaktionen damit ein Kahlschlag? Es sagt viel über den Zustand der Branche aus, dass nicht einmal die Gewerkschaften den Roboter-Journalismus als Teufelszeug verdammen. Job-Abbau und Sparprogramme gibt es schon seit Jahren, jetzt geht es darum zu retten, was zu retten ist. Und das schaffen Redaktionen am besten, indem sie ihre Kunden flächendeckend bedienen – mit exklusiven, von Reportern recherchierten Geschichten und beliebter Standardware gleichermaßen. Zu letzterer Kategorie gehören die lokal angepassten Wetter- und Stauberichte, um sie zu erstellen, muss niemand jahrelang zur Journalistenschule gehen.

Je früher sich Redaktionen mit den Möglichkeiten von KI und Roboter-Journalismus befassen desto besser. Denn wer sich gut auskennt, lässt sich seltener Lösungen andrehen, die kein Mensch braucht. Es geht schließlich darum, den eigenen Journalismus besser zu machen. Und das wird er nicht, wenn man Leserinnen und Leser nur mit Masse erdrückt. Außerdem hilft ein Blick auf eine Ethik-Checkliste, wie sie der ehemalige AP-Journalist und Berater Tom Kent erarbeitet hat. KI-Journalismus ist immer nur so gut, wie die Daten sind, mit denen er gefüttert wird und die Vorgaben, die ihm gemacht werden.     

United Robots bietet übrigens auch ein Tool für Sportredaktionen an. Nach dem Spiel schickt es Trainern automatisch Interview-Fragen, sie orientieren sich am Spielverlauf. Aus den Antworten bastelt der Bot einen Text. Sportreporter müssten sich also gar nicht groß umstellen, sobald es wieder Wettkämpfe gibt. Sie könnten sich weiterhin auf all die hintergründigen Geschichten konzentrieren, die ihnen gegenwärtig so gut gelingen. Den Nach-dem-Spiel-Bericht schriebe Kollege Roboter. Dem Journalismus täte das gut.

Copyright: Alexandra Borchardt 2020, Beitrag für einen Newsletter des Digital Journalism Fellowship an der Hamburg Media School.

Zum Weiterlesen:

Die andere Papier-Krise – Corona bringt die gedruckte Zeitung in Lebensgefahr

Clayton Christensen hat die Corona-Krise nicht mehr erlebt. Der Professor der Harvard Business School, der das heute so salonfähige Konzept der disruptiven Innovation entwickelt hat, starb im Januar dieses Jahres an Krebs. In seinem Buch „The Innovators Dilemma“ hatte er sich mit den Schwierigkeiten erfolgreicher Unternehmen befasst, neue Technologien nicht nur halbherzig zu integrieren, sondern ihre Geschäftsmodelle danach auszurichten und alte über den Haufen zu werfen. In einem Aufsatz mit dem Titel „Breaking News“hatte er sich auch der Medienbranche angenommen. Das war 2012.

Acht Jahre später konfrontiert die Covid-19 Pandemie die Weltwirtschaft mit einer nie dagewesenen Art der Disruption. Die Seuche, die alles auf den Kopf stellt, beschleunigt den technologischen Wandel und erzwingt Innovationen. Erst im Nachhinein wird sich herausstellen, welche davon im wahren Sinne innovativ sind, also gesellschaftliche Verbesserungen gebracht haben. Aber die Wirtschafts- und Arbeitswelt wird nach dem langsamen Erwachen aus der Krise in jedem Fall eine andere sein.

In der Medienbranche zeichnet sich jetzt schon ab: Die Zeitungshäuser, die den technologischen Wandel beherzt angegangen sind und versucht haben, ihn in ihrer Kultur zu integrieren, sind jetzt im Vorteil. In diesen Tagen, in denen die Zugriffe auf Nachrichtenangebote steigen wie nie zuvor, binden sie Abonnenten über digitale Kanäle an sich – und die Leserinnen und Leser ziehen mit. Die anderen, die die Einnahmen aus den gedruckten Ausgaben gehütet haben wie einen Schatz und deshalb eher vorsichtig beim Vermarkten digitaler Angebote waren, rufen ihre Teams jetzt zur Aufholjagd. Denn es ist absehbar, dass die Tage der gedruckten Zeitung nun noch schneller heruntergezählt werden als vor Beginn der Krise.

Anderswo wird gar nicht mehr gezählt. In Großbritannien, wo die Bürger ihre Zeitungen überwiegend am Kiosk oder im Laden kaufen oder freie Exemplare zum Beispiel in der Londoner U-Bahn mitnehmen, hat die Mediengruppe JPI angekündigt, den Druck von zwölf Titeln einzustellen. Eine Stadt wie Milton Keynes mit mehr als 200 000 Einwohnern hat dann ausgerechnet in der Krisenlage keine Tageszeitung auf Papier mehr, vor allem für alte Leser ohne digitale Verbindungen ist das schlimm. In den USA steht dies einigen Titeln ebenso bevor. Dort sind viele Lokalzeitungen in den Händen von Finanzinvestoren, die nicht lange fackeln, wenn ihnen das Geld ausgeht. Die Zahl der Nachrichtenwüsten wird zunehmen, die gar kein lokales journalistisches Angebot mehr haben.

Viele Verleger weltweit denken schon lange darüber nach, wie viel und wie oft man wirklich noch drucken muss. Nun, da Anzeigen fast komplett ausfallen und Probleme bei Produktion und Zustellung drohen, stellen sich diese Fragen in ungeahnter Brisanz. „The Corona Virus is a Media Extinction Event“, ein Ereignis, das zur Ausrottung vieler Medienmarken führen wird, schrieb Buzzfeed Reporter Craig Silverman. Hiobsbotschaften sind täglich zu erwarten, viele Journalisten wird das ihre Jobs kosten.  

In Deutschland mag das im Moment noch harmloser aussehen als anderswo. Im Gegenteil: Menschen, die daheimbleiben müssen, entdecken das Ritual des morgendlichen Zeitunglesens neu, manch eine Redaktion berichtet sogar von neuen Abo-Bestellungen für das Papier-Produkt. Allerdings dampfen die Zeitungshäuser die Umfänge bereits ein. Das liegt nicht nur am Ausfall von Anzeigenerlösen. Außerhalb des gefragten Corona-Stoffs, der alle beschäftigt und interessiert, herrscht auch thematisch Leere. Sport-Wettkämpfe und Veranstaltungen fallen aus, Redakteure sind mit Krisenmanagement beschäftigt, manche müssen in die Kurzarbeit, und Recherchen anderer Stoffe werden erschwert, weil Reporterinnen und Reporter sich zumindest bei Ortsbesuchen zurückhalten, um sich und ihr Umfeld nicht unnötig zu gefährden.

Dass die Papier-Ausgaben irgendwann wieder dicker werden, ist kaum zu erwarten. Schon lange weiß man in der Branche, dass Zeitungsabos eher wegen zu viel des Guten als wegen eines zu geringen Umfangs gekündigt werden. Das Gefühl, der Berg an Lesestoff sei nicht mehr abzuarbeiten, gehört in einer Welt der Über-Information zu den häufigeren Klagen von Leserinnen und Lesern. Außerdem werden auch bedächtige Medienhäuser ihre Kundinnen und Kunden in der Corona-Krise zwangsweise an digitale Produkte heranführen müssen. Es ist wahrscheinlich, dass der Druckbetrieb beeinträchtigt wird oder Zusteller ausfallen, weil sie krank oder in Quarantäne sind. Sind die Leserinnen und Leser aber einmal online, kann man sie auch daran gewöhnen. „In absehbarer Zeit werden die Menschen sehr viel mehr Zeit online verbringen. Uns bislang gibt es wenige Beispiele dafür, dass sie zu Offline-Medien zurückkehren, wenn sie sich erst einmal an Online-Medien gewöhnt haben“, schreibt Rasmus Kleis Nielsen, Direktor des Reuters Instituts an der Universität Oxford in einer ungeschönten Analyse der Lage.

Die gedruckte Zeitung wird in Deutschland nicht von heute auf morgen von den Frühstückstischen verschwinden. Aber viele Verlage werden in der Krise und auch danach ihre Verluste zusammenrechnen und beschließen, das gedruckte Päckchen Papier nur noch für das Wochenende herzustellen. Schon heute verbringen die Leserinnen und Leser dann noch am meisten Zeit mit Print. Das gilt insbesondere für die jüngeren Generationen, die mit den großformatigen Blättern schon lange nichts mehr anfangen können. Der Weg von einer Ausgabe pro Woche zu null Ausgaben ist dann nur noch ein kleiner Schritt. Im generellen Taumel der Wirtschaftskrise, die unzählige Arbeitskräfte kosten wird, dürfte das so manch einem noch nicht einmal auffallen. Zumindest, solange der Journalismus überlebt. 

Copyright: Alexandra Borchardt 

Information jetzt – In der Corona-Krise rettet Qualitätsjournalismus Leben

In der Coro­na­krise sind akku­rate, ver­ständ­li­che, fak­ten­treue Medien ent­schei­dend dafür, wie Ein­zelne handeln und damit wie Gesell­schaft und Wirt­schaft funk­tio­nie­ren. Nur Qua­li­täts­me­dien mit ihrer Reich­weite quer durch alle sozia­len Schich­ten können diese Aufgabe über­neh­men.

Kri­sen­zei­ten sind keine Zeiten für Bes­ser­wis­ser. Es sind die Stunden der­je­ni­gen, die es besser wissen. Dies sollten sich alle zu Herzen nehmen in diesen Tagen, Wochen und abseh­bar Monaten, in denen das Corona-Virus die Gesund­heit von Men­schen rund um den Globus und in der Folge die Welt­wirt­schaft bedroht. Gefühls­aus­brü­che auch von Exper­ten sind in dieser ange­spann­ten Lage zwar ver­ständ­lich. Aber vor allem die­je­ni­gen, die dies als Gele­gen­heit betrach­ten, mit „den Medien“ im All­ge­mei­nen und den öffent­lich-recht­li­chen Sendern im Beson­de­ren abzu­rech­nen, sollten sich diese Emo­tio­nen ver­knei­fen. Denn im Zweifel gefähr­den sie damit Leben.

In der Krise ist eine ver­läss­li­che, akku­rate, ver­ständ­li­che, unab­hän­gige und ebenso tief­ge­hende wie reak­ti­ons­schnelle Infor­ma­tion ent­schei­dend dafür, wie Ein­zelne Handeln und damit wie Gesell­schaft und Wirt­schaft funk­tio­nie­ren. Nur Qua­li­täts­me­dien mit ihrer Reich­weite quer durch alle sozia­len Schich­ten können sie liefern.

Zum Glück ist die all­ge­meine Öffent­lich­keit in den meisten Ländern klüger als so manch eine Chat-Runde in den sozia­len Medien. Die eta­blier­ten Medi­en­häu­ser berich­ten davon, wie Ihnen das Publi­kum sämt­li­che Ange­bote zum Thema Covid-19 förm­lich aus dem Netz saugt. News­let­ter werden so stark geöff­net wie nie, Bei­träge abge­ru­fen, Links geklickt. Manch eine Publi­ka­tion öffnet ihre Bezahl­schranke für Corona-Berichte oder nutzt den Infor­ma­ti­ons­hun­ger fürs Abo-Mar­ke­ting. Die Men­schen wissen, wohin sie sich in unsi­che­ren Zeiten wenden müssen: zu den Medien ihres Ver­trau­ens. Und auch die Ent­schei­dungs­trä­ger infor­mie­ren sich dort. So manch eine kluge Info­gra­fik über ver­schie­dene Sze­na­rien zur Aus­brei­tung der Pan­de­mie hat auch Zau­de­rer in Politik und Unter­neh­men davon über­zeugt, dass jetzt dras­ti­sche Ein­schnitte nötig sind, um das Gesund­heits­sys­tem am Laufen zu halten.

Ein Problem ent­steht überall dort, wo der Medi­en­kon­sum entlang poli­ti­scher Über­zeu­gun­gen hoch pola­ri­siert ist und es die Ange­bote nicht oder nicht mehr flä­chen­de­ckend gibt, denen die Men­schen allen Studien zufolge am meisten ver­trauen: Lokal­zei­tun­gen und öffent­lich-recht­li­che Sender. Dies ist zum Bei­spiel in den USA der Fall. Lokal­zei­tun­gen gibt es an einigen Orten nicht mehr, das Natio­nal Public Radio fristet ein Nischen­da­sein. Weil viele Bürger, vor allem aus dem Lager der Trump-Wähler, den großen über­re­gio­na­len Qua­li­täts­me­dien nicht ver­trauen, sind sie beson­ders anfäl­lig für Ver­schwö­rungs­theo­rien aller Art. In Frank­reich, wo die Gelb­wes­ten-Bewe­gung ein tiefes Miss­trauen gegen „die Presse“ hegt und sie auf Seiten der Elite ver­or­tet, gab es sogar eine Protest-Demons­tra­tion gegen die Ein­schrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens. Beides ist brand­ge­fähr­lich.

So manch ein Experte, der in den sozia­len Medien schimpft, auf Twitter finde er oder sie viel bessere Infor­ma­tio­nen als in den Qua­li­täts­me­dien, mag damit punk­tu­ell recht haben. Aller­dings liegt ein großes Problem dieser Zeit in der Asym­me­trie der öffent­li­chen Infor­ma­tion. Während Gebil­dete keine Mühe damit haben, die sozia­len Netz­werke zu navi­gie­ren und darin schnel­ler mehr und bessere Aus­künfte zu finden, als dies bei­spiels­weise noch vor 20 Jahren der Fall gewesen wäre, zir­ku­lie­ren andere in weniger auf­ge­klär­ten Kreisen. Sie sehen dann über­wie­gend Bilder von leeren Regalen und stürmen die Dro­ge­rie­märkte auf der Suche nach Klo­pa­pier, wenn sie nicht gleich selt­sa­men, gerne über geschlos­sene Whats­App-Gruppen geteil­ten Tipps und Spe­ku­la­tio­nen anheim­fal­len. Jour­na­lis­ten sind die­je­ni­gen, die all diese Infor­ma­tio­nen sichten, sor­tie­ren, über­prü­fen, die ent­spre­chen­den Exper­ten aus­fra­gen und damit ver­ständ­lich für alle machen. Ohne Qua­li­täts-Jour­na­lis­mus würde sich die Infor­ma­ti­ons-Ungleich­heit massiv ver­schär­fen. Den Schaden hätten alle.

Wer aber sind nun die­je­ni­gen, die es besser wissen, und wie iden­ti­fi­ziert man sie? Tat­säch­lich lässt sich das nur in der Koope­ra­tion und im Aus­tausch von Ideen her­aus­fin­den, denn die Lage kann sich schnell ändern. Es ist deshalb wenig hilf­reich, ein­zelne Pro­fes­so­ren (sel­te­ner: Pro­fes­so­rin­nen) zu Medi­en­hel­den zu sti­li­sie­ren, so bril­lant sie auch sein mögen. Erstens können sie nur gut bleiben, wenn sie sich ständig über neueste Ent­wick­lun­gen infor­mie­ren und mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus­tau­schen. Dazu brau­chen sie Zeit. Und zwei­tens führt solch ein Star-Dasein schnell zu einer Hybris, die der ehr­li­chen Suche nach dem neu­es­ten Stand des Wissens abträg­lich ist. Wis­sen­schaft ist ein stän­di­ger Prozess, sie liefert nur selten letzt­gül­tige Ant­wor­ten.

Recht­ha­ber sollten es sich deshalb auch ver­knei­fen, ältere Aus­sa­gen endlos her­vor­zu­kra­men und die Bot­schaf­ter vor­zu­füh­ren. Für die Medien gilt: Der Reflex des Politik-Jour­na­lis­mus, nach Schul­di­gen zu suchen, ist hier weniger gefragt als die ergeb­nis­of­fene Suche des Wis­sen­schafts­jour­na­lis­mus.

Noch stärker als sonst ist in Kri­sen­zei­ten Lernen bei lau­fen­dem Betrieb ein 24-Stunden-Geschäft. Und Lernen können bei so einer Groß­krise nur alle gemein­sam: Exper­ten, Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten ebenso wie die Bürger – und das welt­weit über Län­der­gren­zen hinweg.

Diese Kolumne erschien am 17. März 2020 bei Zentrum Liberale Moderne