Information jetzt – In der Corona-Krise rettet Qualitätsjournalismus Leben

In der Coro­na­krise sind akku­rate, ver­ständ­li­che, fak­ten­treue Medien ent­schei­dend dafür, wie Ein­zelne handeln und damit wie Gesell­schaft und Wirt­schaft funk­tio­nie­ren. Nur Qua­li­täts­me­dien mit ihrer Reich­weite quer durch alle sozia­len Schich­ten können diese Aufgabe über­neh­men.

Kri­sen­zei­ten sind keine Zeiten für Bes­ser­wis­ser. Es sind die Stunden der­je­ni­gen, die es besser wissen. Dies sollten sich alle zu Herzen nehmen in diesen Tagen, Wochen und abseh­bar Monaten, in denen das Corona-Virus die Gesund­heit von Men­schen rund um den Globus und in der Folge die Welt­wirt­schaft bedroht. Gefühls­aus­brü­che auch von Exper­ten sind in dieser ange­spann­ten Lage zwar ver­ständ­lich. Aber vor allem die­je­ni­gen, die dies als Gele­gen­heit betrach­ten, mit „den Medien“ im All­ge­mei­nen und den öffent­lich-recht­li­chen Sendern im Beson­de­ren abzu­rech­nen, sollten sich diese Emo­tio­nen ver­knei­fen. Denn im Zweifel gefähr­den sie damit Leben.

In der Krise ist eine ver­läss­li­che, akku­rate, ver­ständ­li­che, unab­hän­gige und ebenso tief­ge­hende wie reak­ti­ons­schnelle Infor­ma­tion ent­schei­dend dafür, wie Ein­zelne Handeln und damit wie Gesell­schaft und Wirt­schaft funk­tio­nie­ren. Nur Qua­li­täts­me­dien mit ihrer Reich­weite quer durch alle sozia­len Schich­ten können sie liefern.

Zum Glück ist die all­ge­meine Öffent­lich­keit in den meisten Ländern klüger als so manch eine Chat-Runde in den sozia­len Medien. Die eta­blier­ten Medi­en­häu­ser berich­ten davon, wie Ihnen das Publi­kum sämt­li­che Ange­bote zum Thema Covid-19 förm­lich aus dem Netz saugt. News­let­ter werden so stark geöff­net wie nie, Bei­träge abge­ru­fen, Links geklickt. Manch eine Publi­ka­tion öffnet ihre Bezahl­schranke für Corona-Berichte oder nutzt den Infor­ma­ti­ons­hun­ger fürs Abo-Mar­ke­ting. Die Men­schen wissen, wohin sie sich in unsi­che­ren Zeiten wenden müssen: zu den Medien ihres Ver­trau­ens. Und auch die Ent­schei­dungs­trä­ger infor­mie­ren sich dort. So manch eine kluge Info­gra­fik über ver­schie­dene Sze­na­rien zur Aus­brei­tung der Pan­de­mie hat auch Zau­de­rer in Politik und Unter­neh­men davon über­zeugt, dass jetzt dras­ti­sche Ein­schnitte nötig sind, um das Gesund­heits­sys­tem am Laufen zu halten.

Ein Problem ent­steht überall dort, wo der Medi­en­kon­sum entlang poli­ti­scher Über­zeu­gun­gen hoch pola­ri­siert ist und es die Ange­bote nicht oder nicht mehr flä­chen­de­ckend gibt, denen die Men­schen allen Studien zufolge am meisten ver­trauen: Lokal­zei­tun­gen und öffent­lich-recht­li­che Sender. Dies ist zum Bei­spiel in den USA der Fall. Lokal­zei­tun­gen gibt es an einigen Orten nicht mehr, das Natio­nal Public Radio fristet ein Nischen­da­sein. Weil viele Bürger, vor allem aus dem Lager der Trump-Wähler, den großen über­re­gio­na­len Qua­li­täts­me­dien nicht ver­trauen, sind sie beson­ders anfäl­lig für Ver­schwö­rungs­theo­rien aller Art. In Frank­reich, wo die Gelb­wes­ten-Bewe­gung ein tiefes Miss­trauen gegen „die Presse“ hegt und sie auf Seiten der Elite ver­or­tet, gab es sogar eine Protest-Demons­tra­tion gegen die Ein­schrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens. Beides ist brand­ge­fähr­lich.

So manch ein Experte, der in den sozia­len Medien schimpft, auf Twitter finde er oder sie viel bessere Infor­ma­tio­nen als in den Qua­li­täts­me­dien, mag damit punk­tu­ell recht haben. Aller­dings liegt ein großes Problem dieser Zeit in der Asym­me­trie der öffent­li­chen Infor­ma­tion. Während Gebil­dete keine Mühe damit haben, die sozia­len Netz­werke zu navi­gie­ren und darin schnel­ler mehr und bessere Aus­künfte zu finden, als dies bei­spiels­weise noch vor 20 Jahren der Fall gewesen wäre, zir­ku­lie­ren andere in weniger auf­ge­klär­ten Kreisen. Sie sehen dann über­wie­gend Bilder von leeren Regalen und stürmen die Dro­ge­rie­märkte auf der Suche nach Klo­pa­pier, wenn sie nicht gleich selt­sa­men, gerne über geschlos­sene Whats­App-Gruppen geteil­ten Tipps und Spe­ku­la­tio­nen anheim­fal­len. Jour­na­lis­ten sind die­je­ni­gen, die all diese Infor­ma­tio­nen sichten, sor­tie­ren, über­prü­fen, die ent­spre­chen­den Exper­ten aus­fra­gen und damit ver­ständ­lich für alle machen. Ohne Qua­li­täts-Jour­na­lis­mus würde sich die Infor­ma­ti­ons-Ungleich­heit massiv ver­schär­fen. Den Schaden hätten alle.

Wer aber sind nun die­je­ni­gen, die es besser wissen, und wie iden­ti­fi­ziert man sie? Tat­säch­lich lässt sich das nur in der Koope­ra­tion und im Aus­tausch von Ideen her­aus­fin­den, denn die Lage kann sich schnell ändern. Es ist deshalb wenig hilf­reich, ein­zelne Pro­fes­so­ren (sel­te­ner: Pro­fes­so­rin­nen) zu Medi­en­hel­den zu sti­li­sie­ren, so bril­lant sie auch sein mögen. Erstens können sie nur gut bleiben, wenn sie sich ständig über neueste Ent­wick­lun­gen infor­mie­ren und mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus­tau­schen. Dazu brau­chen sie Zeit. Und zwei­tens führt solch ein Star-Dasein schnell zu einer Hybris, die der ehr­li­chen Suche nach dem neu­es­ten Stand des Wissens abträg­lich ist. Wis­sen­schaft ist ein stän­di­ger Prozess, sie liefert nur selten letzt­gül­tige Ant­wor­ten.

Recht­ha­ber sollten es sich deshalb auch ver­knei­fen, ältere Aus­sa­gen endlos her­vor­zu­kra­men und die Bot­schaf­ter vor­zu­füh­ren. Für die Medien gilt: Der Reflex des Politik-Jour­na­lis­mus, nach Schul­di­gen zu suchen, ist hier weniger gefragt als die ergeb­nis­of­fene Suche des Wis­sen­schafts­jour­na­lis­mus.

Noch stärker als sonst ist in Kri­sen­zei­ten Lernen bei lau­fen­dem Betrieb ein 24-Stunden-Geschäft. Und Lernen können bei so einer Groß­krise nur alle gemein­sam: Exper­ten, Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten ebenso wie die Bürger – und das welt­weit über Län­der­gren­zen hinweg.

Diese Kolumne erschien am 17. März 2020 bei Zentrum Liberale Moderne